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Sommerkampagne
Blog
Mach Sommer. Wie du denkst!

Mach Sommer. Wie du denkst!

Die Philosophin Eva von Redecker hat mit ihrem neuen Essay "Bleibefreiheit" eine Denkübung in Sachen Freiheit, Zeit und Zeitenfülle vorgelegt, die so aktuell und dringlich daherkommt, dass ein baldiges Lesen unbedingt zu empfehlen ist.
"Bleibefreiheit" umschreibt die Freiheit Bleiben zu können, an einem Ort der selbstbestimmten Wahl. Einem Ort, an dem man sein darf, verweilen möchte, wo sich Zeit füllen kann und - im besten Fall - zu erfüllter Zeit wird. Auf den ersten Blick scheint die Vermengung temporaler und räumlicher Überlegungen die Basis des Freiheitsbegriffes auszumachen, den von Redecker hier skizziert. Doch fordert die Autorin genau Gegenteiliges, gewissermaßen die gedankliche Abgrenzung zwischen Raum und Zeit. Denn die Freiheit zu Bleiben ist in erster Linie ein Zeitversprechen: Freiheit wird hier verzeitlicht.   

Nach einer kurzen Einführung arbeitet sich der Text über drei Kapitel hinweg durch das weite Themenfeld Zeit. Von Redecker beleuchtet, wie westlich geprägte Gesellschaften mit Zeitformen- und empfinden umgehen, zeigt auf, wie anderweitig sich über Zeitverständnis nachdenken lässt. So bezieht sie sich beispielsweise auf die Einflussnahme von Eigentumsverhältnissen gegenüber der Idee von Lebensdauer, führt konkret den Besitzindividualismus nach C. B. Macpherson an, in dessen Grundannahme sie eine noch heute ausgeprägte Todesverdrängung erkennt, welche in der Bleibefreiheit wiederum keinen Platz hätte. "Die Eigentumsvermittlung erlaubt der liberalen Freiheit vom Leben abzusehen und aus der Zeit auszusteigen. Der Versuch, demgegenüber die individuelle Freiheit anders, nämlich zeitlich, zu denken, bindet unser höchstes Vermögen zurück an unsere begrenzte Dauer." (S. 48)  

Es begeistert, sich als Leser*in inmitten vieler klugen, aus unterschiedlichen Denkrichtungen zusammenfließenden Betrachtungen der Philosophin wiederzufinden und an einer reflexiven Anschauungsweise teilzuhaben, die Theorie mit einem philosophiegeschichtlichen Überbau, sowie persönlichen, alltagsbezogenen Erfahrungen kombiniert. An einer Stelle wird eine Unterhaltung zwischen der Autorin und einer guten Freundin erwähnt, in der es unter anderem um die Fremdbestimmung der eigenen Zeit geht. Sie gehen der Frage nach, wie sie Zeit am liebsten füllen würden, wenn die Entscheidung dafür ganz bei ihnen läge, ohne äußerliche Zwänge. Es wird sich geeinigt, dass ein arbeitsfreier Samstag ohne terminliche Verbindlichkeiten das Gefühl von frei sein, Freiheit haben, auslösen kann. "Ein Kalenderblatt wie Neuschnee. Freiheit als unbestimmte Zeit. War das die Lösung?" (S.73) Eine Frage zum Weiterreichen.  

Bleibefreiheit ist Existenzwunsch und Kampfansage zugleich, da es sich um einen zukunftsgerichteten Freiheitsausdruck handelt, den es im ersten Schritt zu erarbeiten und im zweiten beizubehalten gilt. Die Klimakrise beherrscht die Gegenwart, die Klimakatastrophe demnach die Zukunft. Oder sind wir nicht schon mittendrin im zweiten Teil? Wen schließen wir in unsere Denkkreise mit ein, wenn wir über die Endlichkeit unserer Existenz grübeln? Die Autorin plädiert für den Blick jedes Einzelnen über den eigenen Tod hinaus. Jeder und jede sollte sich die Frage stellen, ob man zukünftigen Generationen eine Bleibefreiheit gewähren möchte. "Jetzt gar nicht mehr fliegen, um später noch atmen zu können." (S. 13) Eine Kausalkette, die für die meisten nicht mehr neu sein dürfte. Auf 150 Seiten spannt von Redecker ein beachtliches Begriffsnetz und diskutiert Bleibefreiheit in sehr unterschiedlicher Ausrichtung, wobei Klimapolitik nur als eins von vielen Themen genannt werden kann.  

Ein gutes Sommerbuch ist "Bleibefreiheit" auch. Ich zumindest habe beim Lesen oft an die heißesten Monate des Kalenderjahres gedacht und an ein Thema, das den Buchhandel einmal im Jahr beschäftigt: die Sommerurlaubslektüre. Mach Sommer. Wie du denkst! lautet der diesjährige Kampagnentitel, der viel Raum für eigene Assoziationen und eine persönlich zugeschnittene Auslegung gewährt. Du entscheidest. Sommer = große Freiheit? Ein Gefühl, das zumindest oft in Lieblingsbüchern und Lieblingsfilmen transportiert wird und das viele kennen. Wegfahren oder Bleiben? Manche haben die Wahl, viele andere nicht. Die Bleibefreiheit ist größer als ein Sommer, denn sie beinhaltet alle Sommer der Zukunft. Fest steht, "Bleibefreiheit" ist ein wichtiges und lesenswertes Buch.

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