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Blog
Franz Kafka - zeitlos "nach innen" schreiben

Meine Gemeinsamkeit mit Kafka? Ich habe kein literarisches Interesse.

Weg vom Terror der Interpretation, hin zur neugierigen Lektüre. Das rät Reiner Stach Kafka-Interessierten im Bücher-Podcast der FAZ.*
Stachs umfangreiche Biographie über den Schriftsteller besteht aus drei Bänden (Die frühen Jahre, Die Jahre der Entscheidungen, Die Jahre der Erkenntnis, alle erschienen bei S. Fischer, auch als Sonder-Gesamtausgabe erhältlich). Sie ist ebenfalls Grundlage für die im März diesen Jahres erschienene ARD-Serie "Kafka". Er protestiert bewusst gegen die gängige Aufbereitung von Franz Kafkas Texten im Deutschunterricht. Auch meiner Deutschlehrerin ging es damals um das Hintergründige, um verborgene Botschaften. Stach aber setzt sich für etwas ein, das ich "beobachtendes Lesen" nenne.

Meine These: Lesen als Tätigkeit hat vielmehr mit beobachten zu tun als mit Denken. Oder mit analysieren und interpretieren. Die Interpretation einer Geschichte ist immer nur der zweite Schritt. Den ersten Schritt wagt man, indem man ein Buch aufschlägt. Man liest einen Satz, dann den nächsten, usw. Wenn man Kafka liest, kann es einem schnell passieren, dass man das Buch am liebsten gleich wieder zuklappen und mit Karacho an die Wand werfen würde. So ging es vielen meiner Freund*innen in der Schule. Was ergibt schon Sinn daran, wenn ein Mann eines Morgens als Käfer in seinem eigenen Bett aufwacht? Und trotzdem sollten wir im Unterricht irgendwas in "Die Verwandlung" hineininterpretieren. Ich gebe zu: Ich habe den Text damals auch nicht verstanden. Das tu ich heute immer noch nicht. Leider kann ich niemandem so richtig erklären, was Kafkas Werke als gehobene Literatur auszeichnet. Damals im Deutschunterricht hat mich der Lektüreschlüssel zu Kafkas "Die Verwandlung" echt gerettet.

Übrigens sollte es heute eigentlich gar nichts mehr von Franz Kafka zu kaufen geben. Das hatte er vor seinem Tod so verfügt. Seine Texte sollten mit ihm in Vergessenheit geraten. 
Dennoch habe ich Kafka vor kurzem eine zweite Chance gegeben und mir "Der Process" vorgeknöpft. Da habe ich es dann anders gemacht. Weniger denken, mehr beobachten. Ich war nicht bei Josef K. und meinen gespaltenen Meinungen über sein Verhalten – sondern bei mir. Ohne mühsames Grübeln, wie das jetzt alles zu verstehen ist, bin ich tiefer und tiefer eingetaucht. Ich habe dieses "Kafkaeske" spüren können. Im Bauch habe ich es gefühlt … genau dort, wo die Angst sitzt, wenn uns mulmig zumute ist. Der Duden definiert das Wort kafkaesk als "auf unergründliche Weise bedrohlich". Die Interpretation einfach außen vor zu lassen, war erst ungewohnt. Immerhin hat Kafka ausschließlich zeitlose Klassiker geschrieben. Darin muss so viel stecken, mindestens tausend geheime Botschaften! Mein Fazit lautet nun: Es hat sich gelohnt, die logische Interpretation hintenanzustellen. Ich habe nur beobachtet. Was ich beobachtet habe, hat dann ganz bestimmte Emotionen in mir geweckt. Manche waren klar konturiert, andere total schwammig. Einige Stellen, die etwas in mir ausgelöst haben, blieben im Anhang unkommentiert. Mir sind teils andere Sachen aufgefallen als Stach. Andere Sätze sind an mir kleben geblieben und haben mich durch den Alltag begleitet. Mein Process war am Ende nicht Stachs Process, und auch nicht Kafkas.

Meine Beobachtung wird nie deine sein. Vielleicht sind wir nicht gleichalt (ich bin 23), vielleicht übst du einen anderen Beruf aus als ich. Oder du gehst noch zur Schule oder zur Uni, machst dein FSJ/FKJ/FÖJ, deine Ausbildung … vielleicht bist du gerade arbeitssuchend, oder du bist schon in Rente. Egal, wie du über diesen Beitrag gestolpert bist: Ich möchte dich einladen, Geschichten mehr zu beobachten. Bücher verstehen und einordnen ist wirklich immer der zweite Schritt. Ob du diesen Schritt gehen willst, das kannst du für dich entscheiden. Ich gehe ihn bloß, wenn ich beim Lesen merke: "Das macht innerlich was mit mir." Zum Glück kann mir keiner reinreden in der Hinsicht. Ich entscheide das allein, schließlich guckt mir auch keiner ins Herz.



Ein Artikel von Saskia J.

*https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/reiner-stach-ueber-kafka-im-buecher-podcast-19543797.html

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