Kemi muss ins Zeltlager. Die Ferien sind lang, seine Mutter muss arbeiten, der Vater ist weg. Bocklevel? Im Minusbereich. Und dann ist da auch noch Jörg, der einfach andersiger ist. Ein typisches Opfer. Wird in der Schule gemobbt und natürlich auch im Feriencamp. Kemi findet das ziemlich mies - aber wird er sich trauen, Jörg zur Seite zu stehen?
Sasa Stanisic ist ja mittlerweile fast schon ein alteingesessener Kinderbuchautor. Nach seiner bunt-verrückten Geschichtensammlung Hey, hey, hey Taxi und der abgedrehten Panda-Pand geht´s nun also in den Klassiker der deutschen Feriengestaltung - ins Zeltlager. Die Zielgruppe von Wolf ist entsprechend älter, irgendwo so frühe Sekundarstufe, zwischen Spielerei, Zankerei und erster Gefühlsduselei. Eieiei. Aber auch: Eltern, die wissen wollen, was so auf ihre Kinder zukommt. Und Erzieher:innen, die lernen möchten, wie man besser kein Camp leitet. Denn wenn Kemi oder Benisha sie auf die zielscheibige Präsenz von Jörg aufmerksam machen, gibt´s nur Empfehlungen. Abstand halten. Konflikte alleine lösen. Sowas eben. Bloß nicht selbst einmischen, lieber irgendwo heimlich Melone futtern oder Minigolf spielen .
Am spannendsten ist aber Kemis Gefühlswelt. Wie er Jörg beschreibt, Episoden aus dem Schulleben aufzeigt, wie er sich die Gedanken von man müsste mal zu ich müsste mal wandeln, sich dem Bully Marko und den Dreschkes entgegenzustellen nämlich, wie er aber auch immer mit einem inneren Schweinewolf zu kämpfen hat, der ihn in seinen Träumen heimsucht. Den typischen Ängsten, über seinen Schatten zu springen, Courage zu zeigen.
Stanisic ist selbst Vater und das tut Wolf richtig gut. Denn dieser Kinder- oder Frühe-Jugend-Roman ist kein Buch von oben herab, sondern auf Augenhöhe erzählt. Kein Ratgeber, mehr ein Erfahrungsbericht, in dem viele doof sind, Kinder wie Erwachsene, und in dem in den vermeintlichen Außenseitern die größten Held:innen stecken. Fast augenzwinkernd wird auch der typische Alltagsrassismus angeschnitten - Pinneberg-Türkei-Albanien, Leser:innen wissen mehr - was sich Stanisic als gebürtiger Bosnier auch gut rausnehmen und aus einem vermutlich unangenehmen Schatz eigener Erfahrungen zehren kann.
Am Ende ist das Ferienlager irgendwie fast zu schnell vorbei - vielleicht nicht für Kemi - aber zumindest für mich als Leser, ein kleiner Wermutstropfen eines großartigen Romans, der in ein paar Jahren hoffentlich auch die jüngere familiäre Zielgruppe begeistern wird. Und wer weiß, wie viele Romane Sasa Stanisic bis dahin noch veröffentlicht hat. Für Groß, für Klein oder, wie hier, für alle.