»Hitler zu übersetzen, bedeutet auch, sich gegen seine zeitgenössischen Epigonen zu wappnen.«
Olivier Mannoni
Zehn Jahre lang übersetzte Olivier Mannoni Hitlers »Mein Kampf« für eine kritisch-wissenschaftliche Edition ins Französische. Das Werk, mit dem Hitler seine antisemitischen Thesen und nationalsozialistische Weltanschauung auf über 700 Seiten in eine für den Normalbürger kaum zugängliche Prosa ergoss und sie dennoch »salonfähig« machte. 12 Millionen Exemplare werden bis 1945 im Umlauf sein.
Was macht es mit einem Menschen, sich jahrelang in die Tiefen von Hitlers Sprache zu versenken? Mit seinem Essay schreibt sich Mannoni die Erfahrung vom Leibe:
»'Mein Kampf' zu übersetzen bedeutete, ungeahnte Türen zu öffnen. In keinem Text zuvor kam Hass in dieser Dichte und mit solch einer Gewalt zum Ausdruck, dieses von Peter Sloterdijk beschriebene brodelnde, bösartige und verderbliche, Ressentiment: eine Art Bank, bei der man - wie bei spekulativen Geldanlagen -, alle Wut und Frustrationen anspart, um sie, sobald der Tag gekommen ist, zu nutzen und den größtmöglichen Gewinn daraus zu ziehen.«
Angesichts einer politischen Realität, in der demagogische Reden ein Revival erleben und nationalistisches Vokabular Einzug in Parlamente hält, warnt uns Olivier Mannoni vor der Wirkmacht sprachlich irreführenden Überfrachtungen und dem damit einhergehenden politischen Kalkül.