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Die Natur freut sich über die Einfachheit. Und die Natur ist kein Trottel, wusste Isaac Newton. Ein Baum. Eine Frucht. Eine Berührung. Ein Blick. Ein Geschmack, der Erinnerungen weckt. Ein Klang, der uns in die Fremde transportiert und dabei zu uns selbst. Wie der von Kurt Rosenwinkel und seiner Baritongitarre auf diesen acht, bis auf eine Ausnahme, komplett improvisierten Solostücken. Diese Musik ist viel mehr als die gekonnte Ordnung von Tönen. Sie ist Rausch und Klarheit, Ruhe und Bewegung.
Und weil hier eben nur ein einzelner Musiker mit seinem Instrument zu hören ist, zugegeben einer, den Eric Clapton als Genie bewundert und über den sein Highschool-Freund Questlove Dude is God twittert, ist oberflächlich auch Einfachheit im Spiel. Ohne Tricks und den doppelten Boden von Overdubs oder Loops, dafür mit aller Komplexität und Unergründlichkeit, die auch die Natur ausmacht.
Dieses Album heißt BERLIN BARITONE, weil es dort entstanden ist und irgendwie auch nach der Stadt klingt, in der Kurt Rosenwinkel seit fünfzehn Jahren lebt. Berlin ist auf gewisse Weise schön, sagt er. Es ist großartig zum Radfahren und ich liebe die Kultur der Cafés und Restaurants, dieses sehr zugängliche Straßenleben. Eigentlich mag ich sogar das Wetter hier und genieße diese bedeckten Winter, weil ich gerne drinnen bleibe und Gitarre spiele oder in meinem Studio Musik mache.
Es soll nicht einfach sein, Baritongitarre zu spielen. Jedenfalls deutlich schwerer als jede andere. Kurt Rosenwinkel winkt ab. Wenn das Instrument eine so tiefe Klangwelt und Schönheit bietet, kann ich mich leicht in der Musik verlieren. Und den tieferen Bereich finde ich an sich schon befriedigender als den einer normalen Gitarre. Ja, die Baritongitarre ist im Vergleich etwas schwieriger zu spielen. Aber das führt einfach nur zu unterschiedlichen musikalischen Dingen. Auch durch diese versierte Verlorenheit im Klanguniversum des Instruments ist Berlin Baritone eine Sammlung von Momentaufnahmen für die Ewigkeit. PEACE PLEASE gibt den Ton an. Auf JUST CHILLIN, diesem volksliedhaft melodiösen Liedfluss, singen Rosenwinkel und sein Instrument förmlich. Dass sich UNDER IT ALL, die einzige Komposition dieses Albums, völlig natürlich neben die übrigen Improvisationen einfügt, wie etwa das klangmalerische LIFE OF A FLOWER oder ein sinnsuchendes Tribut an den Philosophen ZARATHUSTRA, spricht für Kurt Rosenwinkel und seine Musikalität. Und passt irgendwie auch zu Berlin.
Die schönste Harmonie, auch das ein Zitat von Mathematiker Newton, entsteht durch Zusammenbringen der Gegensätze. Götz Bühler